Galerie Mezzanin

Gerald Domenig in Frankfurt

Häuser, nichts als Häuser. Etwas anderes gibt es auf den Bildern nicht zu sehen. Oder doch? Bauernhäuser und Scheunen in Österreich, der Toskana, seltsame, meist profane Ansichten aus Frankfurt und Belgien. Ein wenig Zeit braucht es schon, will man sich der Kunst Gerald Domenigs nähern. Natürlich gibt es einen Hintergrund, eine Landschaft vielleicht, und einen Vordergrund, eine Straße, Bäume oder ein Auto. Doch die Häuser sind das zunächst beherrschende Motiv auf Domenigs Fotografien, die derzeit in der Frankfurter "AusstellungsHalle Schulstaße lA" zu sehen sind. Und dann, plötzlich, stellt sich eine Bewegung ein beim Betrachten der zu je sechs Aufnahmen zusammengestellten Schwarzweißbilder.

Inhaltliche, aber auch formale Korrespondenzen, einzelne, sich wiederholende Barytabzüge in verschiedenen Zusammenhängen erzeugen einen zunächst sanften, dann kräftiger sich bemerkbar machenden Rhythmus. "Vor 30 Jahren wollte ich Architekt werden. Dieses Buch soll beweisen, daß mir das nicht gelungen ist", heißt es in dem soeben in einer Auflage von 240 Exemplaren erschienenen Buch "Der Beruf, das Gegenteil und die Liebe", das Domenig im Rahmen der Schau vorstellt. Und das trifft es schon ganz gut. Denn der 1953 in Kärnten geborene Künstler geht den umgekehrten Weg vom Haus zum Bild. Im Buch verwandelt er die Bilder noch einmal in anregenden, bisweilen vergnüglich zu lesenden Text, legt Spuren für den Betrachter, die das Sehen erleichtern, oder philosophiert munter vor sich hin.

Domenigs Ziel ist Abstraktion . "Ich fotografiere nicht Objekte, sondern deren Verhältnisse als Auflösung bzw. Konstruktion zum Bild", nicht das Festhalten also von Wirklichkeit, sondern ihr Verschwinden betreibt Domenig.

Und doch sind auf den ersten, Blick überall nur Häuser drauf. Mit den Mitteln der Fotografie, die die Realität wiederzugeben behauptet, verfolgt er.über Jahre hinweg beharrlich sein Ziel: die Überführung von Raum in Fläche. "Flach machen" nennt das der in Frankfurt lebende Absolvent der Städelschule. Vertikalen und Horizontalen legen sich übereinander, Muster und Formen kommunizieren miteinander über verschiedene Motivfelder in einer Aufnahme. Bäume, Berge, Häuser verlassen immer wieder den räumlichen Kontext und treten in formale graphische Spannung.

Schatten und Schneefelder verwischen räumliche Bezüge oder lösen sie auf, und die Konzentration auf graphische Entsprechungen, auf Linie, Dreieck, Rechteck in einem Bild erzeugt bei den zum Teil durchaus komisch zu nennenden Aufnahmen eine ähnliche Bewegung wie die, die der Betrachter angesichts der Zusammenstellung der Arbeiten in der Präsentation empfindet. Die Zeichnungen Domenigs setzen auf die entgegengesetzte Bewegung. Statt zur Abstraktion drängen sie zur Figur. Wie sich bei den Fotos, je länger man schaut, das Objekt tendenziell verflüchtigt, stellt bei den Zeichnungen Figürlichkeit sich ein. Gerne sieht der Künstler in ihnen Skizzen, Entwürfe seiner Fotografien, eine Annäherung an die Welt. Eine Bewegung, die mit dem Druck auf den Auslöser in ihr Gegenteil umschlägt. Eine Schule des Sehens: Domenigs Bildwelten sind ein fotografischer Essay, den man mit zunehmendem Vergnügen liest.

Die Schau ist bis 29. September Mittwoch und Donnerstag von 18 bis 20 Uhr, Freitag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Geschlossen vom 13. bis 15. September.

CHRISTOPH SCHÜTTE